Soldatin, Seefahrerin und Betreuerin für Jugendfreizeiten

15. Januar 2021 News Reiseberichte & Leserbriefe Bereich Nord Bereich Ost Bereich Süd Bereich West

Seefahrt ist noch lange nicht genug. Andrea Kischel ist für das Bundeswehr-Sozialwerk und die organisierten Jugendfreizeiten unterwegs

Ein buntes und lautes Durcheinander von 26 Jugendlichen im Alter von zwölf bis etwa 17 Jahren strömt in das Gemeinschaftshaus ein und nimmt an den langen Tischen Platz. Ein Wirrwarr an Stimmen tauscht Fragen und Antworten aus, löchert andere nach Informationen. Hier und da ist ein etwas älteres Gesicht zu entdecken, die Betreuer der Jugendfreizeit.

Eine der Betreuer ist Andrea Kischel aus Delmenhorst. Die 29-jähirge ist in der niedersächsischen Stadt aufgewachsen und hat dort ihr Fachabitur absolviert. Der Dienst in der Bundeswehr hat sie nach Wilhelmshaven geführt auf eines der größten Versorgungsschiffe der deutschen Marine. Im täglichen Berufsleben ist sie Marinesoldatin und Besatzungsmitglied auf dem Einsatzgruppenversorger „Bonn“. Dort arbeitet sie als Informationstechnikmeister und kümmert sich um die PC-Anlagen an Bord als Computerfachfrau und sorgt somit für eine stetige Funktionalität und einen reibungslosen Arbeitsablauf während der langen Seefahrten. Nebenbei warten an Bord noch weitere Zusatzaufgaben wie Unfallvertrauensperson oder Höhenretter auf sie.

120 Tage Abwesenheit von zu Hause sind eher Normalität als Seltenheit. Und dennoch findet Andrea noch Gelegenheit, um sich als Betreuerin für Jugendliche zu engagieren. Sie unterstützt als Betreuerin beim Bundeswehr-Sozialwerk für die Jugendfreizeiten im In- und Ausland. Seit 2014 ist sie ehrenamtlich tätig und ausgebildete Betreuerin. Diese Aufgabe fiel ihr eher zufällig zu. „Ein Kamerad, der ebenfalls als Betreuer für das Sozialwerk unterwegs ist, brauchte noch Unterstützung für eine Jugendfreizeit auf Korsika. Da lockte das Fernweh und die Neugier!“, so Kischel. Inzwischen bewirbt Andrea sich für unterschiedliche Freizeiten als Betreuerin inner- und außerhalb Deutschlands.

Kinderbetreuung auch bei schlechtem Wetter

Jeden Tag ist etwas los, Langeweile hat gar keine Chance! Morgens müssen die Kinder in Schwung kommen. Da macht Andrea gemeinsam mit anderen Betreuern und den meisten Kindern eine Runde Frühsport. Ein paar Kilometer Laufen in den Morgenstunden bietet sich da einfach an. Entsprechend der herbstlichen Wetterlage wird tagesaktuell geplant.

Die Jugendfreizeit auf der Insel Rügen findet in Prora auf einem Campingplatz des Bundeswehr-Sozialwerks direkt am weißen, feinsandigen Ostseestrand statt. Es ist die einzige Freizeit, die trotz der weitreichenden Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 noch stattfinden konnte – dank dem Engagement der Bereichsgeschäftsführung Nord des Sozialwerks und den stets motivierten Betreuern.

Die Kinder wohnen in gemütlichen kleinen Holzhütten, die mit drei Kindern belegt werden. Zehn Tage ohne Eltern aber dafür mit vielen Aktivitäten. Ganz oft spielen die Kinder am Strand, die Ostsee ist kühl, aber das Bootfahren und die „Bananenfahrt“ locken fast jeden ins Nass. Die Neoprenanzüge, wenn auch manchmal etwas groß, machen es möglich. Die Insel Rügen hat für jeden etwas zu bieten. Ganz typisch ist die Wanderung zu den Kreidefelsen und in die umliegenden, märchenhaften Buchenwälder. Einen anderen Tag geht es zum Schwarzlichtgolfen und dann wieder auf den Erlebnispfad, der hoch durch die Baumkronen führt. Einen Abend wird ein Grillen in Gemeinschaft rund um das Lagerfeuer veranstaltet. Viele andere Aktivitäten folgen.

Wenn eines der Kinder nicht an einer Unternehmung teilnehmen möchte, gibt es immer einen Betreuer, der im Camp verbleibt, um dort Ansprechpartner zu sein. Und falls doch einmal schlechtes Wetter sein sollte, veranstalten die Betreuer ein Fußball-Kicker-Turnier im Freizeitzelt.

Ausbildung und Arbeit eines Betreuers

Andrea musste noch einige Nachweise erbringen, damit sie für eine solche Gruppenbetreuung geeignet ist. Die Abenteuerlust, eine gewisse Flexibilität und soziales Verständnis brachte sie bereits mit. Neben dem allgemeinen Bewerbungsschreiben an das Bundeswehr-Sozialwerk und dem erweiterten Führungszeugnis erfolgten außerdem noch Betreuerschulungen, bei denen auch rechtliche Grundlagen und medizinisch-hygienische Grundsätze gelehrt wurden. Besondere Fähig- und Fertigkeiten sind gern gesehen, sind allerdings nicht Bedingung. Besonders gut eignen sich Lizenzen wie Bootsführerscheine, Kletterscheine oder Rettungsschwimmer. Inzwischen hat Andrea auch schon weitere Kameraden als Betreuer angeworben.

Wenn so eine Jugendfreizeit startet, weiß Andrea nie, was genau auf sie zukommt. Und erst recht diese Freizeitwoche ist etwas Besonderes. Viele Aktivitäten und Veranstaltungen mussten in diesem Jahr ausfallen. Die Jugendfreizeit auf Rügen in Prora sollte ursprünglich im Sommer stattfinden. Auch das war nicht möglich. Aber jetzt in den Herbstferien wurde alles in die Wege geleitet, um einigen Kindern ihren kleinen Urlaub zu ermöglichen. Dieses Mal hat sie eine kleine Gruppe von wenigen Mädchen, für die sie der unmittelbare Ansprechpartner, manchmal sogar ein Elternteil auf Zeit ist. Wenig Schlaf ist fast schon die Regel, wenn Andrea als Betreuer unterwegs ist. Morgens beginnt das zeitige Wecken und der Frühsport für die müden Geister, das Tagesprogramm ist füllend und am Ende des Abends kontrolliert Andrea mehrfach die Hütten, ob auch alle zur Ruhe finden. Ist die Arbeit mit den Kindern erledigt, finden sich alle Betreuer noch für Gespräche und weitere Planungen zusammen.

Organisationstalent ist gefordert

Bei beruflich bedingter langer Abwesenheit muss das verbleibende Jahr gut durchorganisiert werden. Die bis zu 120 Seefahrtstage stehen meist schon Anfang eines Jahres fest. Für die Einplanung als Betreuer muss Andrea aber auch etwa ein halbes bis dreiviertel Jahr vorplanen. Das muss sie mit ihren Vorgesetzten an Bord abstimmen, denn „Manpower“ wird überall benötigt. Für solche Betreuungsmaßnahmen kann der Vorgesetzte bis zu zehn Tage Sonderurlaub gewähren.
Und dann wartet auch noch die Freundin und die Familie auf ihren Anteil an „Andrea – live“. Aber sobald all diese Termine koordiniert sind, schnappt sich Andrea das Motorrad und fährt raus in die Natur. Neuerdings hat sich noch ein neues Hobby aufgetan. Bouldern! Mal schauen, ob sich da auch noch etwas Zeit findet.